Wir setzen unsere Serie der Artikel über den Faschismusbegriff fort. Im ersten Artikel sind wir auf die Problematik des Begriffes eingegangen und haben die marxistische Theorie dargestellt. In diesem Artikel wird die Totalitarismustheorie, die Sozial-psychologischen Anstrengungen zur Faschismusforschung und die Theorie von Ernst Nolte betrachtet.
Theorie des Totalitarismus
Als Ausgangspunkt dieser Theorie dient das Buch von Hannah Arendt „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ („The origins of Totalitarianism“). Die Forschung zum Totalitarismus von Arendt hatte nicht das Ziel, eine Faschismustheorie zu formulieren. Sie versuchte eine Theorie der Macht zu kreieren. Zusätzlich besaß Sie zu wenig empirisches Material über die UdSSR, um das Land zu untersuchen. Die Faschismustheorie kam später. Sie wurde von den Nachfolgern von Arendt – Carl Friedrich und Zbigniew Brzezinski – erschaffen. Sie benutzten die Theorie von Arendt für bestimmte politische Ziele. Das Ziel war, die UdSSR und das Nazi-Deutschland als Erscheinungen gleicher Ordnung darzustellen. Also eine Gleichsetzung zwischen dem Kommunismus und Nationalsozialismus. Dies war notwendig, um den wachsenden Einfluss der Sowjetunion nach dem Sieg im 2. Weltkrieg entgegenzuwirken.
Friedrich und Brzezinski haben eine Liste von Kriterien ausgearbeitet, nach denen man den Totalitarismus des Staates bestimmen kann. Diese Liste wird hier dargestellt:
- Die Herrschaft einer Massenpartei mit einem charismatischen Anführer
- Eine einheitliche Ideologie, die alle wichtigen Lebensbereiche umfasst
- Ein nahezu vollständiges Monopol der Massenkommunikationsmittel beim Staat
- Ein nahezu vollständiges Monopol der Anwendung der Kampfwaffen beim Staat
- Ein physisches und/oder psychisches Terrorsystem zur Kontrolle der Gesellschaft
- Eine zentrale, bürokratisch koordinierte Überwachung und Lenkung der Wirtschaft
Die Totalitarismus-Theorie war von Anfang an darauf angelegt, den Faschismus und Kommunismus gleichzusetzen. Deswegen wurden die Unterschiede der beiden Systeme auch gar nicht in Betracht gezogen. Dennoch ist der Gedanke der Gleichheit zwischen den beiden Ideologien fest in der westlichen Gesellschaft verankert. Das wurde auch mit Hilfe von verschiedenen populistischen, Literaturwerken und Filmen erreicht, z.B. das weltweit anerkannte Buch “Bloodlands: Europa zwischen Hitler und Stalin” von Timothy Snyder. In diesen Werken wird die Totalitarismus-Theorie an ihr logisches Ende geführt, um Stalin und Hitler, den Kommunismus und Faschismus, gleich zu stellen. Dies dient jedoch nur politischen Zwecken, weswegen jegliche Unterschiede der beiden Systeme einfach ignoriert wurden.
Zu diesen Unterschieden kann man die wirtschaftlichen Modelle zählen (in der UdSSR gab es kein Privateigentum), verschiedene Motivation und Ausmaß der Repressionen und Auswahl der Opfer, verschiedene historisch-kulturelle Ursprünge des Führerprinzips. Der Faschismus hat seine Verbindung mit dem Aufklärungserbe zerrissen, während sich der Bolschewismus als Nachfolger des Zeitalters der Aufklärung ansah. Die Gründe für eine totalitäre Macht sah Arendt in der Krise der bürgerlichen Gesellschaft, der Entstehung einer Massengesellschaft und Atomisierung des Individuums. In Russland gab es weder eine bürgerliche Gesellschaft, noch eine Massengesellschaft und genau so gab es auch keine Atomisierung des Individuums. Dementsprechend gab es ganz andere Gründe für die Entstehung des „Totalitarismus“ in Russland. Um genau zu beschreiben, wie die Totalitarismus-Theorie als Propaganda eingesetzt wurde, um die Sowjetunion im Kalten Krieg zu schwächen, braucht man einen einzelne Serie von Artikeln.
Trotz des recht zweifelhaften Wert des Totalitarismus-Konzeptes, sollte man auch seine positiven Seiten nennen. Arendt hat sehr gründlich beschrieben, wie und in welcher Form imperialistische Ideen in den Faschismus hineinfließen. Sie hat gezeigt, dass der Faschismus eine Folge der Krise der bürgerlichen Gesellschaft ist. Weiterhin kann man ihren Beitrag zur Forschung des faschistischen Verbrecher-Typus im Buch „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.“ hervorheben.
Sozial-Psychologische Theorie: Freudomarxismus und die Frankfurter Schule
Eine der detailliertesten Systematisierung des psychologischen Typs (der so genannten „autoritären Persönlichkeit“) wurde von den Mitgliedern der Frankfurter Schule entwickelt: Adorno, Horkheimer und Fromm. Das waren deutsche Intellektuelle, die das Land verlassen mussten, nachdem Hitler an die Macht kam. Die Hauptwerke in diesem Bereich sind „Die Massenpsychologie des Faschismus“ (1933) von Wilhelm Reich und „Die Furcht vor der Freiheit“ von Erich Fromm. Fromm war einerseits ein Anhänger der Psychoanalyse und andererseits sympathisierte er mit linken Ideen. Deswegen wurde sein Ansatz der Versöhnung zwischen Marx und Freud auch „Freudomarxismus“ genannt. Fromm hat einen Test zur Bestimmung der „autoritären Persönlichkeit“ entwickelt – die sogenannte „F-Skala“. Er ging von der Existenz eines bestimmten Typs deformierter, faschistischer Psyche aus, die man mit einem richtigen Ansatz wie das Fieber bei einem Kranken messen kann.
Hier sind ein paar Kriterien, nach denen Fromm versuchte, den Typ der autoritären Persönlichkeit zu bestimmen: starke Bindung an konventionelle Werte, autoritäre Unterwürfigkeit, der Glaube an die mystische Bestimmung des eigenen Schicksals. Das Streben danach, andere zu beherrschen. Übertriebene Beschäftigung mit sexuellen „Vorgängen“.
Trotz einer hohen Menge empirischer Daten, haben die Freudomarxisten die Existenz eines faschistischen Psychotyps nicht nachweisen können. Und nicht nur das: Sie haben im Endeffekt die Schlussfolgerung gezogen, dass es keinen Unterschied zwischen kommunistischen und faschistischen Persönlichkeitstypen gibt. Das Problem lag darin, dass die durch den Test identifizierten „Faschisten“ nicht willens waren, zu Faschisten zu werden. Aus dem Vorhandensein einer „autoritären Persönlichkeit“ folgt nämlich nicht zwangsweise, dass der betreffende Mensch wirklich zum Faschisten wird.
Phänomenologische Theorie von Ernst Nolte
Die entscheidende Wende in der Wissenschaft brachte die Monographie des deutschen Historikers Ernst Nolte „Der Faschismus in seiner Epoche“ herbei. Darin verglich er drei faschistische Ideologien – „Action française“, den italienischen Faschismus und den Nationalsozialismus, wodurch er den Weg für weitere komparative Faschismusforschungen geebnet hatte. Der Wert seiner Forschung lag darin, dass er praktisch den Begriff „Faschismus“ in die liberale Wissenschaft einführte und darauf aufmerksam machte, was marxistische Historiker außer Acht gelassen haben – die Ideologie. Er kam zum Schluss, dass der Faschismus vor allem antimarxistisch ist.
«Faschismus ist Antimarxismus, der den Gegner durch die Ausbildung einer radikal entgegengesetzten und doch benachbarten Ideologie und die Anwendung von nahezu identischen und doch charakteristisch umgeprägten Methoden zu vernichten trachtet, stets aber im undurchbrechbaren Rahmen nationaler Selbstbehauptung und Autonomie» – schrieb Nolte. Für seine Zeit war das eine sehr mutige und revolutionäre Behauptung. Genau deswegen wurde er zum Idol der deutschen Linke und auch „Nestor der Faschismusforschung der Bundesrepublik“ genannt. Leider neigte er sich später dem Revisionismus und der Holocaustleugnung zu. Er fing an, die Verbrechen des Nazismus als eine Reaktion auf den Bolschewismus darzustellen. Damit entlastete er Hitler von Verantwortung. Im Jahr 1986 lösten die Aussagen Noltes in Deutschland den Historikerstreit aus, an dem praktisch die ganze deutsche Gesellschaft teilnahm. Noltes Ansichten wurden verurteilt und er wurde zunehmend isoliert. Jedoch haben seine klassischen Werke bis zum heutigen Tag ihre Aktualität nicht verloren.
Damit beenden wird die kurze Übersicht über die verschiedene Faschismustheorien. Es gibt natürlich noch viel mehr, was man über den Faschismus schreiben muss. Dies werden wir in den nächsten Artikeln tun.